Humans of Nürnberg

“Neue Blickwinkel, Crossover-Formate, Vernetzung – Zusammenbringen, was bislang nicht zusammengehörte, das ist es, was mich umtreibt und antreibt. Seit über 25 Jahren für den Schaustellerverband, als Nürnbergerin schon seit 60 Jahren! Was mich fit hält? Neue Bekanntschaften zu schließen, neue Themen zu entdecken, neue Ideen zu finden, bei denen die Leute oft erstmal sagen: Du spinnst doch! Aber sind es nicht die spinnerten Ideen, die uns weiterbringen, das Ausprobieren, Ausloten von Grenzen? Ein Volksfest mit Schaustellern und Fahrgeschäften auf dem Nürnberger Allerheiligsten wäre undenkbar gewesen bis vor ein paar Wochen, aber es gehört zu unserem Leben, flexibel mit Situationen umgehen zu können, wandlungsfähig, kreativ zu bleiben und Chancen nutzen. Und die Krise ermöglicht uns bei allem Schaden, den sie uns zufügt, doch auch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Kritiker? Gibt es immer, darf und soll es geben. Mit Neid bin ich weniger einverstanden. Natürlich bin ich in der privilegierten Position, Job und Privatleben auf so bereichernde Art miteinander vermischen zu können, eine Chance, mich fremden Themen anzunähern – aber allen Menschen steht es frei und offen, sich auf neue Formate einzulassen, herauszufinden, was die Stadt zu bieten hat. Und hey, die Stadt hat wahnsinnig viel zu bieten, und die Schaustellerei mit ihrer über 1000 Jahre alten Tradition ist ein wichtiges Kulturgut, das man nicht einfach wegbrechen lassen darf. Jede gesellschaftliche Einheit kann nur funktionieren über die verbindenden Gemeinsamkeiten, also warum die nicht erkunden, ausprobieren und mutiger sein? Innerhalb der Stadtverwaltung, wo die Bürokratie in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat, klappt das grade prima, es gibt ein tolles Entgegenkommen, neue Lösungen und Kreativität, von denen ich mir wünsche, dass sie bleiben. Wir werden’s nie allen recht machen. Aber wenn jeder ein bisschen was beiträgt, wäre alles doch so einfach.”
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„Es gibt ein paar Plätze in Nürnberg, die mir fehlen. Das gemütliche Lindestadion zum Beispiel, wo wir bei den Spielen des EHC 80 Lumumba im Strafbankstüberl getrunken haben. Da kann die Arena nicht mithalten. Oder die gesprengte Brücke über den Nordring: Auf meinem Fahrradweg hat es immer dazugehört, vor der Brücke Schwung zu holen, dann kurz ins Dunkel zu tauchen und wieder raus ans Licht zu kommen. Und ganz besonders fehlt mir der Weitblick – nämlich der vom Fernsehturm aus: Als Kind habe ich sozusagen den Bau begleitet. Auf dem Weg zu meinen Großeltern von der Nordstadt nach Gebersdorf sind wir immer hier vorbeigekommen, konnten Ring für Ring die Entstehung des Bauwerks beobachten. Später war ich einige Male oben im Restaurant – ein einmaliges Ambiente, von dem ich hoffe, dass es möglichst bald wieder zugänglich ist, vor allem öfter als bei der Audienz einmal jährlich. Wäre das nicht auch für das Thema Kulturhauptstadt toll? Einen ganz anderen Titel hat Nürnberg längst inne: Hauptstadt der Foodtrucks! Vor zehn Jahren habe ich mit “RibWich” den ersten Truck ins Leben gerufen – der Rest ist Geschichte … Aus dem aktiven Geschäft hatte ich mich weitestgehend zurückgezogen, organisiere zwar die SFC Street Food Convention in Nürnberg und Essen, orientiere mich aber primär als Mental Coach weiter, schreibe gerade ein Buch oder bin als Juice Experte unterwegs. Aber als mit dem Beginn der Corona-Krise schnell auch die Foodtruck-Kollegen existenziell bedroht waren, habe ich alles mir Mögliche getan – und gemeinsam mit Kollegen innerhalb von zwei Nachtschichten einen Lieferdienst aus dem Boden gestampft. Ob ich selbst betroffen und besorgt bin? Betroffen ja, wenn z.B. meine Messen ausfallen sollten. Besorgt: nein. Es geht immer weiter, vielleicht anders, aber weiter. Man muss anpassungsfähig sein und schmerzfrei, dann findet sich immer ein Weg. ‘Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt.’ (Dalai Lama)“
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“Ist ultimative Toleranz was Cooles? Ich weiß es nicht. Früher haben mich meine Mitschüler verarscht, mich „Nose“ und “Dreieckskopf” genannt. Mir war das egal, ich hab mich gewehrt. Ich musste mich wehren. Heute wird alles in Watte gepackt, daran ist auch Instagram schuld. Die Leute müssen sich heute nicht mehr direkt mit Dingen auseinandersetzen. Sie sind von außen geformte Wesen geworden. Kennst Du das, früher als Kind, wenn Du Knete in verschiedenen Farben hattest und sie nicht zusammenmischen wolltest, weil dann eine braune Masse entsteht? So fühlt sich das mit Instagram an. Undefinierbar. Früher haben mir Manager gesagt: „Du brauchst die Leute nicht“ — aber jeder braucht Leute. Es bringt nichts, sein eigenes Süppchen zu kochen. Es kommt einem vor, als würde sich Nürnberg nicht entwickeln. Aber das stimmt nicht. Ich war als Fotografin in Dubai, in New York, in Italien. Wenn Du mal ein paar Monate weg bist und zurück kommst, siehst Du, wie sich alles verändert. Gerade in Gostenhof. Früher war es hier als stünde eine graue Wolke über dem Stadtteil. Heute laufen die Leute über die Fürther Straße wie auf einer Promenade. Der Hafen fühlt man sich mittlerweile nicht mehr wie in der Stadt. Das ist geil. Manchmal könnte man meinen, Berlin sei eine fränkische „Flüchtlingskolonie“. So viele Leute, die heute dort leben, kommen von hier. Gerade die sagen aber: „Nürnberg ist kulturell ein Scheiß“. Das ist Quatsch! Diese Leute sind hier aufgewachsen, waren hier auf dem Spielplatz. Das prägt Dich. Nürnberg liegt in der Mitte von allem, hat eine gute Infrastruktur und eine gute Erreichbarkeit. Berlin ist vielleicht cool, hat den Style, das stimmt. Aber von irgendwoher muss das doch kommen, oder? Beispielsweise der Kolb, die Brezen – das ist Kulturgut, nicht so ein Lauchgebäck! Davon schwärmen meine Berliner Freunde. Das ist nur ein Beispiel von ganz vielen. Wenn du die ganze Zeit über eine Stadt meckern kannst, dann stimmt mir Dir etwas nicht — nicht mit der Stadt.”
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“Integration, das klingt immer so schwammig, nicht greifbar, was soll das sein? Mittlerweile weiß ich: Sprache ist unglaublich wichtig. Wie wichtig, das ist mir erst bewusst geworden, als ich 2016 von Russland nach Deutschland gekommen bin. In St. Petersburg, meiner Heimat, hatte ich zwar Deutsch gelernt, aber eine Sprache wirklich zu sprechen, ist etwas ganz Anderes. Die erste Zeit war mühsam, ich habe mir oft gedacht: Egal, ich packe jetzt meine Koffer und gehe zurück. Auch im Job war es schwierig. In Russland habe ich Tourismusbusiness studiert, das wird hier aber nicht anerkannt. Dazu die Sprachbarriere — das war eine gewaltige Hürde. Wie unterschiedlich zum Beispiel Nürnberg und St. Petersburg sind, das zeigt sich besonders an Kleinigkeiten. In Russland steht auf den Klingelschildern zum Beispiel kein Name, sondern eine Nummer — damit die Leute anonym bleiben können. Hier ist das anders. Jetzt, nach drei Jahren, kann ich sagen: Ich bin angekommen. Nürnberg ist schon besonders, die Kultur, da entdeckte ich immer wieder etwas Besonderes. Und im Sommer: Die BlaueNacht, das Bardentreffen, da fühlt man sich zuhause, obwohl man unter vielen Fremden ist. Mittlerweile kann ich mich mit ihnen ja problemlos unterhalten. Und ich sehe: Was die Menschen angeht, sind Russland und Deutschland dann doch nicht verschieden.”
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“So gerne ich würde, aber meinen liebsten Platz in Nürnberg kann ich leider nicht verraten – denn der ist vor allem deshalb so großartig, weil ihn aus unerfindlichen Gründen kaum jemand kennt. Aber versprochen: Es gibt ziemlich viele Orte in der Stadt, die einem vielleicht nicht vor die Füße fallen, die es aber allemal wert sind, entdeckt zu werden. Alles in allem habe ich nach meinem Herzug aus Weißenburg vor 40 Jahren Nürnberg für mich entdeckt, ohne irgendwelche Ambitionen, anderswo wohnen zu wollen. Es ist perfekt schon allein für mich als Radfahrer – naja, zugegebenermaßen wegen der Größe der Stadt. Wegen der Bedingungen nicht, und es wäre dringend an der Zeit, dass die Stadtplanung ein Augenmerk auf das Radwegenetz wirft. Das wäre für mich übrigens ein wichtigerer Aspekt für die Kulturhauptstadtbewerbung als all die kleinteiligen Kulturentwicklungen. Denn ich habe die Idee, den Wunsch, dass aus dem Prozess für die Bevölkerung langfristige Entwicklungen von Nutzen sein können. Städtebauliche beispielsweise, im Sinne von Wohnungsbau: Warum nicht einen Wettbewerb für neue Architektur ausrufen, vielleicht in Kooperation mit der WBG? Als Macher der Straßenkreuzer-CD beschäftige ich mich seit 19 Jahren mit der hiesigen Musikszene und bin glücklich über das schier überbordende Angebot guter Künstler in der Region, die einen schier unendlichen Fundus an Bands und Musikern. Dass Nürnberg nicht als Sprungbrett für große Karrieren funktioniert, liegt vermutlich weniger an der Stadt als vielmehr an der fränkischen Mentalität, die sich gerne hinter so einer gewissen Weltbescheidenheit versteckt. Aber hier gilt das gleiche wie für die eingangs genannten Plätze in Nürnberg, die man erstmal suchen muss: Sie wollen entdeckt werden. Unbedingt!”
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“Ich liebe es, in Kriegsgebiete zu reisen und fürchte gleichzeitig nichts mehr als den Tod. Für viele Menschen sind diese beiden Aspekte nicht zusammenzubringen. Als junge Frau wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Ich hatte kaum eine Chance zu überleben und konnte doch gegen die Krankheit ankämpfen. Nach meiner Genesung war eines für mich klar: Ich will reisen und die Welt sehen! Zunächst ging es einige Male nach Indien. Mich fasziniert dieses bunte, positive Land, in dem so viele Menschen in Armut leben und dennoch frohen Mutes sind. Seit eignen Jahren reise ich regelmäßig in Kriegsgebiete. Ich zog mit Nomaden durch Kurdistan, lebte mit Kriegsflüchtlingen in Zeltlagern und lebte zusammen mit der Jesiden-Armee. Viele Male war ich unter Beschuss, im Freien und zu Hause bei Freunden, die ich auf meinen Reisen kennengelernt habe. Meine letzte Reise führte mich nach im April nach Nordsyrien ins kurdische Kriegsgebiet. Immer dabei ist meine Fotokamera, aber ich bilde weder blutige Leichen noch Soldaten ab. Mich interessieren die Menschen, wie sie trotz der verheerenden Umstände ihr Leben führen, Familien sind, Freundschaften pflegen und ihre Kultur leben. Ich habe sehr viele liebenswerte und hilfsbereite Menschen kennengelernt, die unter schwierigsten Umständen überleben, täglich um ihre Existenz fürchten und dennoch lächeln, zuvorkommend sind und ihre Geschichten offen teilen. Ich hatte auch Ausstellungen in Nürnberg mit Bildern meiner Erlebnisse. Man erreicht so aber nur eine bestimmte Gruppe Menschen. Ich würde mir wünschen, dass in Nürnberg Kunst und Kultur im öffentlichen Raum zugänglicher für alle gemacht würde. Mein Traum wäre es, eine Fotoausstellung im Freien zu realisieren.”
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“Als Fürther bin ich mit 19 erst in die große Stadt nach Nürnberg, von da aus nach München gezogen – und schnell wieder zurückgekommen. Denn dort hat mir alles gefehlt, was Nürnberg ausmacht: zu unpersönlich, zu groß … Das Charmante hier ist doch, dass man einerseits innerhalb der Altstadtmauer fußläufig irre viel an Freizeit, Kultur und Geschichte erleben kann, andererseits aber auch das Außenrum sich total entwickelt, in Vierteln wie Eberhardshof viel passiert, und aber auch die Metropolregion, deren Zentrum Nürnberg ja ist, wirtschaftlich und kulturell grandios und eine Institution ist, in der richtig viel passiert – und das ganz unabhängig von der Brauereidichte. Mit Bamberg, Bayreuth oder Schwabach habe ich lauter wunderschöne Städte im Umkreis von nicht einmal einer Stunde, selbst im kleinen Wendelstein ist richtig viel geboten. Ich selbst lebe am Stadtrand, beinahe auf dem Land, in einer Dorfgemeinschaft mit funktionierender Infrastruktur. Wenn ich etwas anderes erleben möchte, setze ich mich in den Bus und bin in 20 Minuten überall, und meine drei Kinder wachsen sicher auf. Uns fehlt es hier an nichts. Angst ist kein großes Thema hier, aber die Leute erweisen sich oft als wenig weltoffen, und es wäre fantastisch, wenn sie sich mehr für andere Kulturkreise öffnen könnten und deren Lebensweise akzeptieren, anders eben als man es dem oft mürrischen Franken zutrauen würde. Den Versuch, sich als Kulturhauptstadt zu bewerben, finde ich berechtigt, das Potential ist ja da – aber es gibt durchaus andere Kaliber, deswegen halte ich die Bewerbung für sehr mutig. Aber naja – irgendwas zu mosern findet man ja immer. Ich möchte trotzdem nirgendwo anders leben.”
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“Freilich hat es mich wie viele jungen Leute vor 15 Jahren nach Berlin gezogen – das gehörte ja zum guten Ton. Von meinen Stipvisiten bei Freunden habe ich viele Erfahrungen, immer aber auch die Gewissheit mitgenommen: Da wohnen will ich nicht. Wenn man’s genau nimmt, lebt man in Berlin auch nur in seinem kleinen Kiez, und so gesehen ist ganz Nürnberg eben mein Kiez. Der Vorteil ist, dass ich direkt vor der Nase das Kulturprogramm einer ganzen Stadt habe – und das ist irre vielfältig. Es regt mich auf, wenn Menschen mit der alten Litanei kommen, in Nürnberg ginge nichts! Macht die Augen auf, Ohren, Nase, raus aus der Komfortzone, rein ins Entdecken! Bestimmt haben es Kulturschaffende oft schwer hier, Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihr Tun zu bekommen, und ich hoffe, dass ich als Kulturjournalistin wenigstens hier und da an Rädchen drehen und Projekte oder Personen in ein öffentliches Licht rücken kann. Allen Kreativen, die trotz aller Widrigkeiten hierbleiben, Bock haben und Esprit: Respekt! Als Redakteurin beim Sozialmagazin Straßenkreuzer hat sich mein Blick in den letzten Jahren noch weiter geschärft, vor allem auch meine politische Sicht. Den Künstler, der bettelarm ist und jeden Tag am selben Tresen Wein trinkt, findet man irgendwie cool, weil er ist ja Künstler. Wenn aber einer immer auf der selben Bank sitzt und sein Dosenbier trinkt, haben wir ein Problem und Verachtung. Warum ist das so? Mein Job zwingt mich, oft über meinen eigenen Tellerrand hinauszublicken, mich in andere Kulturwelten und Lebensrealitäten zu begeben – und in fast jedem Fall komme ich glücklich von dem Trip zurück. Diese Reise kann ich nur empfehlen. Dich für Neues zu öffnen tut dir selbst gut und damit der Stadt, denn die kann nur so gut sein, wie du sie selbst machst. An jeder Ecke warten Kultur und Kulturen, man braucht nur Hallo zu sagen. Seid neugierig! Nürnberg ist so viel mehr als Bratwurst, Braun und Burg!”
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“Dass ich in einem Viertel aufgewachsen bin, das in der ganzen Stadt als ‘Ghetto’ verschrien war, habe ich erst viel, viel später mitbekommen. Ich hatte eine tolle Kindheit. Meine Mutter hat meine Schwester und mich unbeaufsichtigt draußen spielen lassen, es gab viel Grün, wie waren oft im nahen Waldgebiet, haben uns auch als Jugendliche immer im Viertel getroffen, um da abzuhängen – und irgendwann habe ich dann gehört, dass die Leute sagen: ‘Du wohnst in Langwasser, bei den Assis?” Ich hab nicht verstanden, was das bedeutet, mir war das nicht bewusst. Für mich war es hier einfach schön. Schön war aber auch, als ich nach der Ausbildung meine erste eigene Wohnung hatte – und das dann gleich richtig mitten in der Altstadt. Was ich bislang nur aus Stippvisiten vom Wochenende kannte, hat auf einen Schlag immer mehr Form und Farbe bekommen. Und abgesehen davon, dass im besten Party-Alter endlich alles vor der Haustüre hatte, habe ich dann erst entdeckt, wie vielfältig das Kulturprogramm der Stadt eigentlich ist – und kann mich gut an die erste BlaueNacht erinnern, die wir damals auf Inlineskates besucht haben. Heute habe ich selbst zwei ganz kleine Kinder, denen ich natürlich eine möglichst schöne Kindheit bereiten möchte. Aber das ist leicht in Nürnberg, v.a. hier, wo ich den Stadtpark und Marienberg gleich vor der Haustüre habe. Die Kinder dort alleine zum spielen zu schicken wie meine Mutter das damals gemacht hat, das würde ich mich wohl nicht trauen. Man hat so viel Angst, dass etwas passieren könnte. Allerdings glaube ich nicht, dass es in der Stadt gefährlicher geworden ist – es wird einfach viel mehr berichtet. Die Kinder binden mich gerade ziemlich, zwingen mich aber auch, mich zu öffnen. Für Gespräche mit fremden Senioren aus dem Altersheim beispielsweise. Das ist gut. Bis sie groß genug sind, das tolle Kulturangebot für die ganz Kleinen mitnehmen zu können, machen wir eben Kreativ- und Musikkurse. Und dass ich aus einem Ghetto komme hat übrigens schon lang niemand mehr gesagt.”
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„Ich bin Stuttgarter, der in den offenen Armen Nürnbergs glücklich gelandet ist. (Nachdem ich viele Jahre am Theater gearbeitet habe, beschäftige ich mich als Coach und Berater nun weiterhin mit meiner Leidenschaft, der Wirkung in verschiedensten Zusammenhängen.) Mit meiner Familie wohne ich im Burgviertel, mitten im Postkartenidyll. Das ist wunderbar, gleichzeitig aber auch ein Ärgernis, denn dieses wunderschöne Stadtbild wird zunehmend von Bus- und Fähr- und sonstigen Touristen überflutet. Natürlich brauchen wir Tourismus, aber z. B. 10 000 Sondergenehmigungen für einfahrende Reisebusse in die Altstadt pro Jahr sind einfach zu viel. Damit muss ich wohl zurechtkommen – bis sich die Stadt dann abends leert und ihre atmosphärische Schönheit preisgibt. Derweil es im Burgdorf erst am Abend ruhig wird, haben wir genau hier mittendrin im Kern der Historie einen Ort, an den sich kaum jemand anderes als gelegentlich ein Gassi-Geher verirrt: Der 1506 gegründete Verein der Schnepperschützen hielt einst im Burggarten die letzte Verteidigungslinie vor dem feindlichen Angriff – und heute 13 wunderschöne kleine Gärten. Jeder kennt diese Kleinode, aber kaum jemand weiß, was es damit auf sich hat. Weder steckt ein Geheimorden dahinter noch handelt es sich um Schrebergärten, sondern eben um einen Verein, dessen Mitglieder zunehmend junge Familien und an der Bewahrung der Tradition interessiert sind. Wie das aussieht? Wir treffen uns viermal im Jahr und schießen mit alten Armbrüsten auf ausgesägte Holzadler und Glaskugeln – ein Heidenspaß! Und eine unvergleichliche Atmosphäre von Geschichte ebenso, wie um Geschichten zu erzählen. Für mich und meine Familie ist unser Garten ein kleines Stück Paradies im Schatten der Burg. Wenn Nürnberger ‚Tradition‘ hören, denken sie sofort an dunkle Zeiten statt an helle, dabei war das hier doch nicht immer nur die Stadt der Täter. Wir als Verein der Schnepperschützen versuchen, dieses ältere Stück Kultur und Natur, diesen Schatz zu bewahren und gestalten Nürnberg dadurch ein bisschen mit – ganz nah am Kern der Stadt.“
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“Ich habe viele Jahre als Obdachloser auf der Straße gelebt, kenne Nürnberg von ganz unten und ich muss sagen: Die Leute sind ganz schön großkotzig, schauen dich herablassend oder am besten gar nicht an. Sie denken nicht darüber nach, wie schnell sie selbst abrutschen und in so eine Situation kommen können. Ich habe lange gearbeitet, habe gutes Geld verdient, dann hat mir das Leben das Genick gebrochen. Mittlerweile habe ich eine Wohnung, einen Job – und fühle mich reich. Nämlich an Erfahrungen. Zum einen habe ich gelernt, wie wichtig es ist, den Blick zu öffnen für andere Lebensentwürfe, andere Kulturen, erstmal auszuprobieren statt vorzuverurteilen. Immer erstmal anschauen und dann eine Meinung bilden. Das würde vielen Leuten hier gut tun, und selbst wenn ich mich mit einem Thema grade selbst nicht identifizieren kann – hey, vielleicht triffst du mal jemanden, dem du mit deinem Wissen helfen kannst? Als ich hier auf der Straße gelandet bin, war es erstmal schwierig, herauszufinden, wie ich Hilfe bekommen kann: Informationen werden wegen der großen Konkurrenz ungern geteilt, die Informationspolitik des Amtes ist zu wenig nachdrücklich. Dabei ist das Hilfsangebot der Stadt wirklich gut, Nürnberg hinsichtlich sozialer Einrichtungen gut aufgestellt, auch wenn es traurig ist, dass es das überhaupt braucht. Wir haben hier auch viele gute Angebote für Menschen, die wenig oder kein Geld haben, ermöglichen mit dem Nürnberg.Pass den Zugang zu Kulturveranstaltungen aller Art. Aber Kultur ist für mich mehr als Kunst. Kultur ist Stadtgesellschaft und Zusammenleben, ein respektvolles Miteinander aller statt Vorbehalte, und hier fehlt mir oft der Austausch. Was für mich ein echtes Problem ist? Die Form, wie Menschen in Notlage oft untergebracht werden. Die Einrichtungen, die ich kenne, erfüllen teilweise nicht die hygienischen Mindeststandards, sind verwahrlost und trostlos. Wie soll ein Mensch denn wieder auf die Füße, wie nur auf die Idee dazu kommen, wenn er so leben soll? Es wundert mich nicht, dass die dann versuchen, sich möglichst wegzubeamen über den Tag. Obdach muss menschenwürdig sein.”
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“Platz zum Austoben, aktive Hausprojekte, kreativ endlose Entfaltungsmöglichkeiten – in eineinhalb Jahren Dresden habe ich verstanden, warum Künstler aus Nürnberg dorthin ziehen und nicht umgekehrt. Ich wüsste nämlich nicht, dass Kreative von anderswo hierherziehen, weil es hier so gut läuft, sie sich hier so toll entfalten und ausprobieren können. Im Ergebnis kommen die erfolgreichen Künstler oder Musiker dann nicht von hier, sondern aus Köln, Leipzig oder Berlin. Dabei hat Nürnberg eigentlich wahnsinniges Potenzial an Leuten, denen man nur mit einer fruchtbaren Kulturlandschaft Anreiz zum hierbleiben geben müsste. Ich selbst bin zurückgekommen, weil ich hier tiefverwurzelt bin, aber habe Inspiration mitgebracht und versuche, immer mehr Steine ins Rollen zu bringen: als Veranstalter, als Musiker mit “We Brought a Penguin”, als Initiative mit dem KollektivKollektiv, mittlerweile auch politisch als Teil der Politbande, mit deren Vertretung im Stadtrat wir sehen, wie viel man bewegen kann anstatt vom Rand aus zusehen und quengeln zu müssen. Alle Parteien suchen den Kontakt, das Gespräch – wohin das führt, muss man sehen. Natürlich verfolgt unterm Strich jeder seine eigenen politischen Ziele, aber wir fühlen uns ernstgenommen – endlich können subkulturelle Interessen an den richtigen Stellen platziert werden. Mit der Kulturoase konnten wir aktuell ganz konkret etwas bewegen. Dass man den Hintern selbst hochbekommen und dranbleiben muss, musste ich selbst erst lernen, aber es ist super, was sich daraus ergibt. Auf den Titel Kulturhauptstadt hoffe ich ganz unbedingt, denn er bedeutet Beförderung, nicht Auszeichnung – die hätte die Stadt im aktuellen Status nicht verdient. Was man aber schon beobachten kann durch den Bewerbungsprozess, ist die Eröffnung eines Dialoges, den es sonst wohl nicht gegeben hätte. Es wächst eine gewisse Bereitschaft, der Subkultur zuzuhören, auch wenn man sagen muss: Sehr viele Ergebnisse sind noch nicht zu sehen. Aber ich sehe, wie viele Leute dran arbeiten. Das wird schon!”
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„Wir wollten sehen, was da draußen noch alles ist. Wir wollten eine neue Kultur entdecken, deshalb haben wir nach Jobs in Österreich und Deutschland gesucht. Als Branko in Nürnberg eine Anstellung fand, war unsere Entscheidung gefallen. Wir arbeiten beide in der IT-Branche, daher war es nicht so schwer, einen Job zu finden und zurechtzukommen, da alles auf Englisch ist. Für uns ist es immer wieder interessant, unterschiedliche Kulturen zu sehen, unterschiedliche Menschen kennenzulernen und Neues zu lernen. Wir sind im Februar von Banja Luka in Bosnien und Herzegowina nach Nürnberg gezogen. Wir lieben an Nürnberg, dass wir mit dem Fahrrad fast überall hinfahren können, das ist wunderbar. Unsere Freunde und Familie zu Hause besuchen wir alle paar Wochen, daher haben wir kein großes Heimweh. Aber auch hier möchten wir uns eine eigene Community aufbauen. Wir können es kaum erwarten, unsere Deutschkenntnisse zu verbessern. Unserer Meinung nach ist es sehr wichtig, die Sprache zu sprechen, um sich hier zu integrieren. Man kann nicht erwarten, dass man überall mit Englisch durch kommt. Nürnberg ist eine sehr grüne Stadt. Wir lieben es, nach der Arbeit Zeit in der Natur zu verbringen und die vielen Parks in Nürnberg zu besuchen. Manchmal gehen wir auf Konzerte, die uns im Curt Magazin empfohlen werden. Wir wünschten, jeder hätte diese Möglichkeit. Wir hoffen, dass eines Tages alle Menschen frei reisen und leben können und, dass die Mauern fallen und nicht wieder aufgebaut werden, besonders in Europa. Aber leider entscheiden nicht immer die Weisesten. Als wir hierher kamen, kannten wir nichts über Nürnberg, außer den Nürnberger Prozessen. Um ehrlich zu sein, hofften wir, dass Nürnberg so ist, wie wir es jetzt tatsächlich kennengelernt haben. Uns gefällt es hier sehr gut und wir freuen uns sehr hier zu sein. Die Leute sind offen und wir kommen sehr gut zurecht. Über ein deutsches Klischee freuen wir uns besonders: Das Bier hier ist viel besser als wo wir herkommen. Aber der Schnaps ist besser in Banja Luka.”
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„Für mich zentral sind die Chancen eines großen Netzwerkes, die mir Nürnberg bietet. Hier kann ich Projekte, Initiativen, Menschen über lange Zeit in ihrer Entwicklung beobachten und Teil davon sein. Denn es wird irre viel entwickelt, was auch der N2025 OpenCall gezeigt hat, der viele schlummernde Ideen aus Schubladen geholt hat. Für mich als leidenschaftlichen Kulturmenschen ist es wichtig, die Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt erleben zu können. Dabei bereitet es mir zum einen Freude, die Akteure hinter den Projekten kennen zu lernen und zum anderen, als Leiterin des Künstlerhauses selbst als Möglichmacherin zu agieren. Und es ist verdammt viel möglich – man muss jedoch darüber sprechen, sich persönlich zusammensetzen, Ideen entwickeln. Mit meiner Projektarbeit versuche ich vor allem die freien Initiativen zu unterstützen, von denen ich weiß, dass viele am knapsen sind. Finanzen sind ein Problem, Raummangel auch. Manche Prozesse sind langwierig, aber ich finde nicht, dass man sagen darf, dass hier nichts geht. Es ist ein Stereotyp, von ‚der Stadt‘ generell als Kulturbremser zu sprechen. Es gibt an vielen Stellen Türöffner, die Möglichkeiten eröffnen und ich wünsche mir, dass die Öffentlichkeit wahrnimmt, dass wir für Veränderungsprozesse offen sind und in einiges schon Bewegung reinkommt. Einen wichtigen Aspekt der Kulturszene habe ich nach dem Brand in der Kantine erlebt: der große Zusammenhalt, die stadtweite ehren- und hauptamtliche Unterstützung, die wir erfahren haben. Es hat gezeigt, dass die vermeintliche Konkurrenzsituation auf einmal in den Hintergrund treten kann und es dann nur noch Veranstalter gibt, die zusammenhalten. Genau diese Verbindungen sind es auch, die es uns während der aktuellen Generalsanierung des Künstlerhauses ermöglichen, den laufenden Betrieb der hier ansässigen Gruppen und Vereine an Ausweichorten aufrechtzuerhalten. Und ist es nicht großartig, welche Kooperationen sich daraus schon entwickelt haben? Z.B. eine appgestützte Live-Performance in St. Martha, Punk im Katharinensaal oder ein Markt für nachhaltige Geschenke Auf AEG.“
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„Mir ist es wichtig, dass die Menschen etwas für die Umwelt tun. Ich war auch schon einmal bei Fridays for Future in Nürnberg dabei und fand es cool, dass alle mitgemacht haben und friedlich demonstriert haben, damit die Politiker endlich etwas tun. Viele nehmen das Umwelt-Problem nicht so ernst und machen sich darüber lustig, aber wenn es so weitergeht, wird es immer schlimmer mit dem Müll auf der Welt. Ich bin sehr gerne draußen, ich gehe oft zum Skatepark im Burggraben oder fahre mit meinem Downhill Bike im Marienbergpark. Beim Skaten und Biken bekomme ich immer einen ‚lockeren Flow‘, es macht mir Spaß und ich bin mit meinen Freunden unterwegs. Ich finde es nur schade, dass es in der Nürnberger Innenstadt nur einen richtigen Skatepark mit einer Halfpipe gibt und der wird oft von älteren Jugendlichen belagert, die Alkohol trinken und rauchen und gar nichts mit Skaten am Hut haben. Da fühle ich mich mit meinen Freunden nicht immer so wohl. Mit dem Skateboard kann man nur auf Asphalt und Beton fahren und weil ich gerne in der Natur bin, fahre ich oft am Marienberg mit meinem Downhill-Fahrrad. Zusammen mit meinen Freunden baue ich Rampen aus Erde und übe verschiedene Tricks. In Nürnberg gibt es an jeder Ecke komische Leute. Zum Beispiel Typen, die mit ihren tollen Sportwagen viel zu schnell fahren und einen beinahe umfahren. Ich würde mir wünschen, dass alle Leute in Nürnberg aufmerksamer für die Umwelt und die Mitmenschen werden.“
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“Ich arbeitete als Fotografin in New York City und hatte einen stressigen Sommer hinter mir, also machte ich Urlaub auf Hawaii. Ich wollte für mich sein und entspannen. Als ich durch die wunderschöne Natur von Maui wanderte, traf ich auf diesen Typen. Mit seinem roten Haar und seinem Bart sah er aus wie Van Gogh. Wir unterhielten uns lange, unternahmen viele Ausflüge und begannen schließlich eine Fernbeziehung zwischen Deutschland und Amerika. Später entschieden wir zu heiraten und zusammen zu leben. Während wir nach einem Wohnort suchten, fand ich heraus, dass ich schwanger war. Die Mutter meines Mannes war kurz vorher verstoben, daher stand das Haus in Nürnberg leer. Ich konnte mir nie vorstellen ein Baby in Manhattan großzuziehen, also entschieden wir 1987 temporär in Nürnberg zu leben. Als ich meinen Freunden und meiner Familie von unseren Plänen erzählte, waren viele schockiert. Nürnberg hatte zu dieser Zeit noch einen ziemlich schlechten Ruf und besonders, weil ich aus einer jüdischen Familie komme, war es komisch gerade hierhin zu gehen. Ich mochte das Leben in Nürnberg gar nicht. Alles wirkte wie ausgestorben und die Menschen waren sehr verschlossen. Nachdem wir unser zweites Kind bekamen kauften wir 1991 ein Haus nahe San Francisco und waren bereit für den Umzug. Dann kam der 11. September. Ich war gerade einkaufen, als ich erfuhr, dass New York City angegriffen wurde. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Auf der Heimfahrt durch Eibach hörte ich die Nachrichten im Radio. Plötzlich sah der karge Wald rund um den Hafen lebendig für mich aus. Ich sah das Leben hier auf einmal mit anderen Augen und begann die Werte in Amerika zu hinterfragen. Ich wollte nicht mehr umziehen und sah hier Leben. Vor allem in den letzten Jahren hat sich viel in Nürnberg getan, die Gesellschaft wird immer heterogener und offener. Das Leben hier ist einfacher und ruhiger, aber ich fühle mich mittlerweile richtig wohl. Was ich aber noch immer an Amerika liebe, sind die Menschen. Sie sind so offen und freundlich und der Umgang ist einfacher und angenehmer. Das würde ich mir für Nürnberg auch wünschen.“
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„Als Teenager kam ich mit meinen Eltern aus der Ukraine nach Deutschland. Mir gefiel hier anfangs nichts, ich fand mich nicht zurecht und fühlte mich nicht zugehörig. Ich wusste nicht wohin mit mir, hatte kein Ziel, keine Perspektive. Dann fand ich zum Sport. Ich fing an regelmäßig laufen zu gehen und entwickelte so Selbstdisziplin und ein Gefühl von Freiheit. Aus einer Laune heraus, meldete ich mich für einen Bodybuilding-Contest an. Ich fand keinen Trainer und habe mich also alleine auf den Wettbewerb vorberietet. Umso überraschter war ich, dass ich als Siegerin in meiner Klasse, dem leichtesten Gewicht, hervorging. Ich wollte es mir selbst beweisen und habe es geschafft! Heute probiere ich viele verschiedene Sportarten, mache Pilates und Yoga, gehe noch immer gerne laufen und trainiere auch meine eigene Gruppe von Frauen regelmäßig. Vieler meiner Kursteilnehmerinnen haben schwere Schicksale hinter sich, sind aus ihren Heimatländern geflohen und sind teilweise neu in Nürnberg. Meine Kurse verbinden uns nicht nur im Sport, wir hören uns gegenseitig zu, helfen einander und wachsen so zu einer Gemeinschaft zusammen. Bei einem unserer Treffen auf der Wöhrder Wiese beobachtete uns einmal eine Gruppe von Frauen. Sie trugen Kopftücher und sprachen kein Deutsch. Vorsichtig näherten sie sich unserer Gruppe und als wir sie mit Händen und Füßen animierten mitzumachen, war das Eis schnell gebrochen. Strahlend versuchten sie sich an den Übungen und alle hatten richtig Spaß an dieser Begegnung. Ich lebe als Frau mit polnischen und ukrainischen Wurzeln in Deutschland — heute fühle ich mich deshalb aber nicht mehr zerrissen, sondern schaffe mir meine ganz eigene Identität, schule auch Frauen als Integraler Coach in Seminaren und auch einzeln. Sport kann Menschen verbinden, Hemmungen und Vorurteile abbauen. und zur Integration beitragen. Es wäre schön, wenn es mehr solcher Angebote geben würde.“
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“Unser Vater kam eines Tages nicht aus der Arbeit heim. Zwei Wochen war er verschollen, wir fragten alle Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen, keiner wusste wo er war. Dann kam er plötzlich nach Hause und sagte uns, wir müssen unsere geliebte Heimat Afghanistan sofort verlassen, da es hier nicht mehr sicher für uns sei. Wir sind mitten in der Nacht aufgebrochen, meine Mutter, mein Vater, mein kleiner Bruder und ich. Ich war damals 16 Jahre alt. Wir flüchteten in den Iran und wollten schließlich mit einem Boot von der Türkei nach Griechenland gelangen. Mein Bruder und ich nahmen das erste Boot, meine Eltern das zweite. Ihr Boot kam jedoch nie in Griechenland an und so mussten wir Brüder uns alleine durchschlagen. Da ich gute Englischkenntnisse habe, konnte ich als Dolmetscher arbeiten und uns zumindest ein Zelt im Flüchtlingslager ergattern. Andere hatten nicht so viel Glück und mussten im Winter auf dem blanken Boden schlafen. Mit der Fähre fuhren wir dann nach Athen und von dort aus nach Deutschland weiter. Hier erwartete uns eine Tante, die schon seit ein paar Jahren in Nürnberg lebt. In den letzten Jahren bestand mein Alltag nur aus Schule und lernen. Morgens ging ich in den Unterricht und danach lernte ich bis spät in die Nacht weiter. Die harte Arbeit hat sich gelohnt: In drei Jahren lernte ich Deutsch, machte einen Schulabschluss und habe diesen Sommer sogar das Abitur bestanden. Jetzt habe ich die Zusage einer großen IT-Firma in Nürnberg erhalten und beginne eine Ausbildung als Fachinformatiker. Wir kamen nach Nürnberg mit nicht als den Kleidern an unseren Körpern, heute leben mein Bruder und ich in einer eignen Wohnung und haben alles, was wir brauchen. Meine Eltern wären sicher sehr stolz.”
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“Meine ersten Jahre in Nürnberg? Ein ewiges Überraschungsei! Ich muss sagen, dass ich als Bayreuther nicht gerade von Kulturereignissen jenseits der Wagner-Festspiele verwöhnt worden bin. Mit diesem einen Großereignis kann ich mich leider nicht identifizieren – der Rest der Stadt, mindestens aber die Entscheidungsträger offenbar schon. Kleine, selbstverwaltete subkulturelle Räume findet man in Bayreuth wenig – was mir ein Rätsel ist in Anbetracht der unzähligen Studenten. Nürnberg war für mich deshalb ein einziges Entdecken: Veranstaltungen, Räume, Stile, Menschen … Immer anders, immer neu – und immer mit so viel Liebe! Dass es aber für Kulturschaffende noch anderer Dinge bedarf als Leidenschaft, das ist mir erst nach und nach klar geworden. Durch viele Gespräche, durch die Möglichkeit, hinter Kulissen zu blicken, habe ich gelernt, wie viele Kämpfe oft ausgefochten werden müssen, wie hart manche Initiativen zu knabbern haben, mit kleinen Geldern jonglieren müssen – und wie wahnsinnig viel ausschließlich auf ehrenamtlichen Schultern gestemmt wird. Ich glaube, dass das vielen Nürnbergern gar nicht bewusst ist, sich zu wenige Menschen aus der Komfortzone bewegen, raus aus der Konsumentenhaltung. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass es sich in jeder Hinsicht lohnt, Neues zu wagen, Neues auszuprobieren. Wenn mir vor fünf Jahren jemand gesagt hätte ‚Geh mal ins Ballett!‘, hätte ich laut gelacht. Und heute? Bin ich glühender Fan von beispielsweise Goyo Montero . Als Garten- und Landschaftsbauer gehe ich ohnehin mit einem ganz anderen Blick durch die Stadt und finde, dass hier viele Chancen vertan werden. Dafür argumentiert man oft mit Sparkursen oder Sicherheit. Ich sag mal so: Wenn die Stadt Fragen hat, wie man Freiflächen für Stadtsäckel und Umwelt günstig gestaltet, darf sie sich gern bei mir melden. Eine Sache klappt ja ziemlich gut: Die Biergärten sind alle schön!”
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“Nach Nürnberg zu kommen war für mich wie Urlaub. Ich bin in Schwabach aufgewachsen, habe als Teenager schon Nürnberger Luft geschnuppert, sogar am Neutor gelebt und freilich fand ich es hier schnucklig und schön und es gab ein paar Orte, zu denen wir gern gegangen sind, aber das war’s. Damals dachte ich, ich kenne die Stadt … Mit 17 bin ich nach München gezogen, habe dort sehr intensive sechs Jahre verbracht und bin letztes Jahr mit all diesen Erfahrungen und Eindrücken nach Nürnberg zurückgekommen – und konnte gar nicht fassen, was es hier alles gibt. Ich habe nichts erwartet. Man sieht eine Stadt ganz anders, wenn man eine Zeit lang weg war, und für mich war es plötzlich, als würde ich im Bilderbuch leben. Ich habe mein Fahrrad endlich wieder ausgepackt und alles erkundet. Und: Es ist wunderbar! Das Gefühl von Heimat, die Zugehörigkeit zum Franken. Der grantelt zwar, aber nimmt sich nicht so wichtig – die Leute sind zufrieden und gemütlich, das ist manchmal einfacher schöner als dieses hippe Großstadtgehabe. Und alles ist so erleichternd, ich fühle mich sicher und geborgen hier, muss keine Angst haben und werde auch nicht von Angeboten schier erdrückt, weil ich sie eh nicht alle umsetzen kann … Dabei gibt es hier doch schon so viel zu tun, zu erleben und zu entdecken. Ich habe in den letzten Monaten meine Heimat neu gefunden, lauter Veranstaltungen und Orte zum ersten Mal besucht, bin hingerissen – auch wenn ich ziemlich bescheuert finde, dass hier ungefähr die einzige Stadt ist, in der man nicht ganzjährig draußen in Straßencafés sitzen kann! Und seltsam finde ich auch Orte wie den Stadtstrand oder den Plan der Surfwelle – München hat nun mal den Eisbach, Nürnberg nicht. Dafür hat Nürnberg lauter tolle natürliche Flussufer, warum werden die nicht anders, besser, schöner genutzt, Orte geschaffen, an denen man sich aufhalten, zusammenkommen kann? Was ich zudem vermisse sind die Rooftops – Biergärten, Feste, Cafés auf Dächern z. B. von Parkhäusern oder eine bessere Nutzung der zahlreichen Dachterrassen. Was gibt es denn Schöneres, als draußen über den Dächern einer – dieser Stadt zu sitzen?”
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„Auch wenn sich in mir drinnen alles dagegen sträubt, setze ich mich seit 10 Jahren immer wieder in den Flieger, um in ärmeren Gegenden dieser Welt einen Beitrag zu leisten. Das Gefühl, wenn ich im Flieger sitze, ist kaum zu beschreiben: Ich habe Angstzustände, Schweißausbrüche und unheimliche körperliche Schmerzen in allen Gliedern, die mich trotz der Schmerzmittel nahezu zermürben. Als Kind war ich bei den Domspatzen. Mein großer Traum war es, Sänger und Künstler zu werden. Die Misshandlungen, Gewalt und der Missbrauch den ich dort über Jahre erfahren habe, waren grausam. Während dieser Zeit ging es mir sehr schlecht und auch viele Jahrzehnte später holte mich das Erfahrene noch ein. Ich war 25 Jahre in Behandlung und habe mit Therapien und Medikamenten die Übergriffe und Geschehnisse verarbeitet. Immer wieder merke ich jedoch auch heute noch, wie sich ein Gefühl der Angst in mir breitmacht, die mich lähmt. Ich will mich dann nur noch zu Hause einsperren, keinen Menschen treffen und mit niemandem sprechen. Gerade dann, überwinde ich mich jedoch, gehe raus und versuche – vor allem auch in meiner Funktion als Sozialpädagoge — diese negative Energie in positive Handlungen zu verwandeln. Daher entschloss ich mich auch vor einigen Jahren nach Thailand, Kuba oder in die Dominikanische Republik zu reisen, um dort Kindern und Frauen zu helfen. Bei meinen Reisen beschäftige ich mich mit den Menschen vor Ort, gebe Deutsch- und Englischunterricht und verteile Lehrmaterialien und Bücher. Nicht selten, fassen auch Frauen in Not vertrauen zu mir und erzählen mir ihre Geschichten. Erst vor kurzem hat mir eine Frau aus Thailand voller stolz ihre Scheidungsurkunde geschickt, nachdem sie sich nun endlich traute, sich von ihrem gewalttätigen Ehemann zu trennen. Als Maler, Lyriker und Kabarettist verarbeite ich meine Erfahrungen mittels Kreativität und leiste seit vielen Jahren meinen Beitrag in Nürnberg. Ich würde mir wünschen, dass man als Künstler von vielen Institutionen und der Presse ernster genommen würde. Hier in Nürnberg entsteht viel Gutes, das leider nicht gesehen wird.“
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“Izmir, Budapest, Nürnberg … Ich habe andere Städte ausprobiert, andere Kulturen getestet, andere Menschenwelten geatmet – leben wollte ich immer nur hier. In Nürnberg bin ich tief verwurzelt, mag es, gleichzeitig die Stadt wie meine sprichwörtliche Westentasche in- und auswendig zu kennen und dennoch immer wieder neue Ecken, neue Plätze, neue Ideen zu finden. Das funktioniert besonders gut, wenn man einerseits mit offenem Geist, andererseits ständig mit dem Fahrrad unterwegs ist. Und das bin ich. Dank superkurzer Wege und der zentralen Lage in der Region kann man sowohl innerhalb der Stadt als auch im Umkreis alles erradeln, ist flexibel unterwegs und macht den Weg zum Ziel. Auch wenn die Stadt eher daran interessiert scheint, dass Blechkisten problemlos rollen oder parkend Lebensraum verschwenden. Wenn’s mal wirklich nicht ums Ziel gehen soll, finde ich hier auch die perfekten Bedingungen: Wälder, Wiesen, Wanderwege sind praktisch vor der Haustür, die gleichzeitig inmitten einer Großstadt liegt. Für mich in Kombination mit der sog. Genussregion inkl. Deutschlands höchster Brauereidichte: überragend! Während ich in den warmen Monaten zwischen Musik-Open-Air und Grillplatz pendle, hab ich in den kälteren Monaten mehr Zeit, mich über Verschiedenes zu wundern. Vor allem die VGN ist ein für mich als Betriebswirtschaftler undurchsichtiges Unternehmen, dessen Preisgestaltung bei gleichzeitig unbefriedigendem Angebot Nürnberg nicht gut zu Gesicht steht. Ok, aber bevor ich dem Klischee des grantelnden Franken zu gerecht werde: Ich liebe das Flair der Altstadt, die Wärme, die der Sandstein noch bis tief in die Nacht abstrahlt, wenn in den Gassen die Menschen der Stille Platz machen. Ich liebe die vielen Brücken, auf denen wir so gerne sitzen, das Treiben beobachten, Teil von ihm werden – am besten mit einem Glas Weißwein in der Hand. Dolce Vita mitten in Franken. Perfetto!”
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“Vor fünf Jahren ist es uns zum ersten Mal richtig bewusstgeworden: Wir waren auf einer Insel im Familienurlaub und haben an jedem Strand viel Verpackung, Plastik und Abfall gesehen – teils wird dieser Müll vom Inland an den Strand gespült oder verweht. Da haben wir einfach angefangen, den Müll aufzusammeln. Damals haben die Leute uns komisch angeschaut — mitgeholfen hat keiner. Heute spannt sich unsere Initiative Beach Cleaner über viele Städte, Teile Europas und sogar bis nach Amerika. Wir treffen uns zum Müllsammeln, halten Vorträge und regen Diskussionen zu den Themen Nachhaltigkeit und Müllvermeidung an. Es ist höchste Zeit, etwas zu tun, unsere Strände, die Natur und Grünflächen in den Städten sind vermüllt und jeder Mensch kann und sollte sich beteiligen, damit unsere nachkommenden Generationen auch noch eine lebenswerte Umwelt haben. Die jungen Menschen haben es verstanden und schlagen Alarm, egal ob bei den Fridays for Future Demonstrationen oder im Internet und auf den Sozialen Netzwerken – ich finde das großartig und unterstütze sie absolut. Das Greta-Thunberg-Bashing und die Kritik, die Jugendlichen würde ja nur Schule schwänzen wollen, finde ich einfach nur peinlich und überholt. Vorher wurde den Jüngeren Desinteresse an Politik vorgeworfen, jetzt engagieren sie sich und fordern, was ihnen zusteht: Eine Zukunft! Man hätte schon vor Jahrzehnten die Weichen für Grün stellen müssen, jetzt – wo es fast zu spät ist – ist die Umstellung natürlich unbequem. Dabei ist es so leicht, im Alltag weniger oder keinen Müll zu verursachen: Wir kaufen unser Gemüse direkt im Knoblauchsland, stellen unsere Wasch- und Putzmittel selbst her und kaufen sonst im Unverpackt-Laden ein. Ich würde mir sehr wünschen, dass Nürnberg zur ‘Zero Waste City’ wird, sich beraten lässt und Strategien zur Müllvermeidung entwickelt. Es gibt mit unserer Initiative und dem BluePingu e.V. viele kompetente Menschen hier, die etwas bewegen könnten. Andere Städte machen es vor – mal sehen, wann Nürnberg nachzieht.”
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“Was das Tolle ist an der heutigen Zeit, der Kulturlandschaft einer Großstadt? Dass wir alle nicht mehr geographisch gebunden sind sondern frei darin, uns selbst zu finden – auch kulturell. Gerade darum denke ich, Aufgabe und Selbstverständnis einer Großstadt, in der viele verschiedene Völker und Kulturen versammelt sind, ist es, Wege zu finden, miteinander zu sein und zu interagieren, aber auch aktiv die Möglichkeit zu bieten, sich miteinander zu vermischen. Deshalb finde ich Global Art Nürnberg so toll. Hier geht es darum, zwei vermeintlich völlig verschiedenartige kulturelle Aspekte miteinander zu verknüpfen und daraus etwas Neues entstehen zu lassen. Ich selbst bin Angehörige der tamilischen Community: Meine Eltern kamen vor 30 Jahren als Bürgerkriegsflüchtlinge aus Sri Lanka in das Aufnahmezentrum Zirndorf, haben schwer gearbeitet, um ihren Kindern optimale Lebensbedingungen, vor allem eine ausgezeichnete nicht zuletzt kulturelle Bildung zu ermöglichen. Dazu gehörte für sie aber auch immer die Wahrung unserer tamilischen Tradition, und darum habe ich von klein auf klassischen indischen Tempeltanz gelernt. Tanz ist für mich die höchste Form des Bewusstseins, eine Form der Meditation – und etwas, das ich gerne an alle weitergeben möchte, auch außerhalb unserer Community. Wir lehren nicht nur den Tanz, sondern die dazugehörige Geschichte und respektvolle Haltung, die ich als in der hiesigen Kultur wenig vorhanden empfinde. Die Arbeit wird uns Akteuren in Nürnberg allerdings oft schwer gemacht – schon alleine dadurch, dass es kaum Räume gibt, die zur Verfügung zu stellen zur Aufgabe einer Stadtverwaltung gehört. Die Stadt fördert auch leider oft lieber Bekanntes anstatt Neues auszuprobieren. Die Arbeit von N2025 hat eine wichtige Öffnung geschaffen. Wir sind auf dem richtigen Weg.”
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“Nürnberg? Für mich eigentlich perfekt, abgesehen davon, dass ich mir ein Alter auf dem Land wünsche. Ich habe zu viele erlebt, die mit großen Wünschen und Träumen nach Berlin oder Hamburg gegangen sind. Und dort untergehen, von ihrem Traum abkommen, irgendwie versuchen, zu überleben – oder eben wieder zurückkommen. Hier hast du mehr Chancen, weil es weniger Leute gibt, die Kunst und Kultur machen, genug Platz ist für alle, sei’s Foto, Malerei oder Theater. Aber leider ist auch alles furchtbar bürokratisch, im Vergleich zu andren Städten ist der Aufwand, eine Veranstaltung hochzuziehen, irrsinnig, es werden einem ständig Steine in den Weg gelegt. Ob das ein Nürnberger Problem ist oder generell ein bayerisches, das weiß ich nicht. In Berlin gibt es mitten in der Stadt ein selbstverwaltetes Kunst- und Kulturzentrum auf einem Parkhausdach – wie schön wäre das bei uns? Aber wenn du sowas hier beantragen würdest, da lacht die Stadt dich doch nur aus, nach sowas brauchst du gar nicht zu fragen. Ich habe den Eindruck, dass es manche Einrichtungen leichter habem als anderen. Vielleicht sitzen an den verantwortlichen Stellen auch zu wenige Menschen, die wirklich Ahnung vom Kulturbetrieb haben, vor allem von der Subkultur. Trotzalledem ist Nürnberg für mich perfekt, hat die diese herrlich überschaubare Größe, in der du alles erreichen, alles mitbekommen kannst, wenn du willst, hat wahnsinnig viele gute Leute, die einen großartigen Kulturbetrieb stemmen – und leider aber oft anderswo hingehen, weil sie hier nicht weiterkommen. Wenn man ‘Kulturhauptstadt’ als Auszeichnung versteht, die bedeutet ‘ihr macht alles richtig’, dann verdient Nürnberg den Titel meiner Meinung nach nicht. Aber es wäre toll, wenn der Bewerbungsprozess Veränderungen mit sich bringen würde – beispielsweise eine bessere finanzielle Unterstützung der Subkultur. Vor allem aber eine Lockerung der bürokratischen Hürden. Wenn jemand die Auszeichnung verdient hat, dann die Kulturschaffenden selbst.”
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“Als 12-Jährige habe ich auf einer Bravo-Hits-CD eine orchestrale Version von „Nothing Else Matters“ von Metallica entdeckt. Sowas hatte ich vorher noch nie gehört und so war meine Liebe für Metal geboren. Als ich gehört habe, dass Nürnberg sich um den Titel Kulturhauptstadt bewirbt, war mein erster Gedanke, dass ich mich gerne aktiv einbringen würde. Wenn schon die Möglichkeit besteht, dass mehr für die Kultur in unserer Stadt getan wird, möchte ich mein Genre auch gerne vertreten sehen. Mit fünf bis zehn Freunden veranstalte ich seit einigen Jahren Konzerte im Metalbereich und bin seit 2015 Sängerin in einer Metalband (@kafkaesque.band). In unserem Underground-Genre ist es oft nicht so leicht an Auftrittsmöglichkeiten zu kommen, also haben wir es einfach selbst in die Hand genommen und die Konzertreihe „@scheppercore” gegründet. Es war gleich zu spüren, dass hier ein wahnsinniger Bedarf besteht. Unheimlich viele Bands melden sich bei uns, meist aus der Region aber auch von außerhalb und möchten gerne Shows bei uns spielen. Im Schnitt haben wir bayernweit sieben Shows pro Jahr, beispielsweise im Z‑Bau oder im E‑Werk Erlangen , bei denen meist 150 bis 200 Zuschauer am Start sind. Immer wieder stelle ich fest, dass sich viele Bands der Szene in Nürnberg oder Franken untereinander gar nicht kennen. Mit unserer Konzertreihe haben wir einen Treffpunkt eingerichtet, man lernt sich kennen und tauscht sich aus. Gerade im Underground muss man zusammenhalten und aktiv etwas für die Gemeinschaft tun, das finde ich sehr wichtig. Wir machen das alle aus Liebe und Herzblut für unsere Musik. Dennoch klappt es nicht ohne Unterstützung von außen – von Kultureinrichtungen zum Beispiel. Ein bisschen mehr Förderung würden wir uns aber wünschen, Proberäume und Treffpunkte fehlen seit Jahren in Nürnberg und auch bezahlbare Veranstaltungsorte sind rar. Da kann eine Kulturhauptstadt ja vielleicht einen positiven Einfluss haben.”
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“Obwohl Deutsch meine Muttersprache ist, singe ich am liebsten auf Englisch und schreibe auch alle meine Lieder auf Englisch. Ich mag die Sprache sehr gerne und es fällt mir irgendwie leichter, mich künstlerisch auszudrücken. Nicht selten werde ich mit dem Klischee konfrontiert, dass ich von Natur aus mehr Rhythmus hätte, weil ich afrikanische Wurzeln habe. Ich sehe das nicht so und finde solche Aussagen recht plump. Irgendwann war es einfach logisch für mich professionelle Sängerin zu werden, weil es das ist, was ich gerne mache. Vor dem Studium wusste ich nicht zu hundert Prozent, was da auf mich zukommt. Als Sängerin lebt man oftmals von Engagement zu Engagement, da ich aber kein sehr großes Sicherheitsbedürfnis habe, komme ich super damit klar. Ich schaffe es auch immer irgendwie, mir alles zu ermöglichen, worauf ich Lust habe. Ich reise gerne, brauche aber kein Luxus-Hotel, ich stehe nicht auf große Autos und habe auch noch keine Kinder, die ich zu versorgen habe. Ich bin gerade frei und kann das machen, was ich liebe und was sich für mich richtig anfühlt. Für dieses Privileg bin ich sehr dankbar.”
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„Ich musste mich in meinem Leben immer wieder neu erfinden und durchmogeln. Nach dem Krieg habe ich mich auf einem Güterzug nach Schlesien durchgeschlagen und auf dem Schwarzmarkt mit Salz und Zucker gehandelt, um meine Familie aus dem Lager zu holen. Später habe ich im Lotto gewonnen, von dem Gewinn ein mobiles Kino aufgebaut und arbeitete schließlich bei einem fränkischen Getränkehersteller. Mit 16 Jahren lernte ich in der Hitler-Jugend ein Segelflugzeug zu fliegen. 1943 meldete ich mich freiwillig für eine Sondereinheit und wurde zum Führen eines Lastenseglers und zum Fallschirmspringer ausgebildet. Eines Tages hieß es, wir sollen unsere Fliegerbekleidung gegen Matrosenanzüge tauschen. Wir wurden nach Kiel, dann nach Italien geschickt. Bei der Ausbildung zum ‘Meereskämpfer’ schwammen wir täglich hunderte von Bahnen teils bis spät in die Nacht. Unsere Kampfschwimmer-Ausrüstung bestand aus einem Gummianzug von 3 mm Dicke, Oberteil und Hose waren durch einen Gummigürtel miteinander verbunden. Darunter trugen wir Wäsche aus Wolle. Im Oktober 1944 erhielten wir den Auftrag, im Hafen von Ancona Kriegsschiffe zu versenken. Während des Einsatzes wurden U‑Boote geortet und der Rückzug geordert. Bei einem Wellengang von fünf Metern ging es nur noch um das Überleben und als unserer ‚Nussschale‘ der Treibstoff ausging, schwammen wir 13 Stunden lang ans sichere Land. Im Frühjahr 1945 war meine Truppe an der Oder damit beauftragt, Brücken zu sprengen, um die heranmarschierende Rote Armee aufzuhalten. Vom Kriegsende bekamen wir erst Tage später etwas mit. Ich kam in englische Gefangenschaft nach Schleswig-Holstein- ich war 19 Jahre alt. Was ist Krieg? Die Machtbesessenheit einiger weniger Potentaten, die die Welt verändern wollen. Ihr Ego ist so groß, dass sie die Realität zur Umwelt verlieren. Wenn man als junger Mensch in so einem System aufwächst, sieht man vieles erst im Nachhinein. Wenn ich mir heute junge Menschen ansehe, vermisse ich oft einen gewissen Erfindergeist und Mut. Mein Leben hatte so viele Episoden, doch ich habe nie aufgeben. Diese Energie möchte ich an nächste Generationen weitergeben.“
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„Wenn man als Social-Media-Redakteurin arbeitet, braucht man ein dickes Fell. Begegnet man im Alltag fremden Menschen mit Höflichkeit und Verständnis, scheinen bei vielen Menschen im Netz hingegen die Hemmungen zu fallen und die Umgangsformen zu verrohen. Natürlich ‘wird man ja wohl noch sagen dürfen’ und auch die Meinungsfreiheit möchte ich absolut nicht angreifen. Ein kritischer Geist ist immer gut und eine fruchtbare Diskussion bringt meiner Meinung nach mehr, als ein Konsens aus Bequemlichkeit. Genau das fand ich an der Nürnberger Bewerbung als Kulturhauptstadt von Anfang an so spannend: Man legt den Finger in die Wunde, macht auf Missstände aufmerksam und stößt an vielen Stellen Veränderungen an. Natürlich können wir Verbesserungen oder Veränderungen oftmals nicht unmittelbar umsetzen, können manchmal auch nur Denkanstöße geben oder den Fokus verschieben. Viele Prozesse brauchen auch Zeit. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen in Nürnberg konstruktiv an der Gestaltung ihrer Stadt und ihres Lebensraumes beteiligen. Einfach einmal selbst anpacken, etwas entwicklen oder Ideen reifen lassen, statt nur zu kritisieren und Neuerungen prompt abzulehnen. Ich glaube daran, dass positive Energie mehr bewirken kann, als negative. In meinen Augen könnte man in Nürnberg offener sein, für Einflüsse von außen, für Innovationen und für Unbekanntes. Manchmal zeigen sich Menschen, die mich kennenlernen überrascht, dass ich in Rumänien geboren bin. ‚Mensch, das merkt man dir ja gar nicht an‘, höre ich dann nicht selten. Ich frage mich, ob das ein Kompliment sein soll und wie sich diese Leute eine Rumänin vorstellen. Ich hoffe sehr, dass wir die Menschen in dieser Stadt und in Europa näher zusammenbringen und dabei helfen, Hemmungen und Vorurteile in den Köpfen abzubauen, deshalb auch die Idee von #humansofnürnberg. Damit wir nicht nur friedlich nebeneinander, sondern kreativ und offen miteinander leben und unsere Welt gestalten.“
Olivia Barth-Jurca, Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, Online- & Social-Media-Redaktion, N2025 Bewerbungsbüro
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„Als Südamerikanerin nach Nürnberg zu kommen, war für mich ein großes Abenteuer. Ich wollte hier eigentlich nur ein paar Monate Urlaub machen. Es war ein schöner, sehr heißer Sommer und ich verliebte mich in diese Stadt und die Menschen. Als Studentin zog ich ins Studentenwohnheim hier im Heilig-Geist-Haus, wo jetzt unser Büro ist — ich wohnte damals sogar auf der gleichen Etage. Am Ende meines Studiums hatte ich immer im Kopf zurück nach Peru zu kehren, als ich meinen jetzigen Mann kennenlernte, heiratete und wir unsere Tochter bekamen. Jetzt lebe ich schon seit über zehn Jahren in Nürnberg. Ich werde manchmal gefragt, wie ich mit der Mentalität der Deutschen bzw. Nürnberger klarkomme. Südamerikaner gelten als immer freundlich und offen, während die Deutschen eher als verklemmt und steif verschrien sind. Dieses Klischee kann nicht gar nicht bestätigen. Ich bin hier auf sehr liebenswerte und interessante Menschen getroffen. Was ich bis heute aber etwas kurios finde ist, dass man hier oft sehr misstrauisch gegenüber anderen ist und wenig Vertrauen hat, wo man hier doch viel Sicherheiten hat und im Alltag kaum Ängste haben muss. Durch Kultur habe ich Nürnberg kennengelernt, die Traditionen aber auch die modernen Seiten. Deshalb gefällt mir die Arbeit für N2025 auch so gut. In der Verwaltung komme ich mit vielen verschiedenen Menschen in Berührung – oft auch international. Der Titel Kulturhauptstadt Europas bedeutet für Nürnberg eine große Herausforderung in vielen Aspekten. Im Bewerbungsprozess sind alle Bewohner eingeladen sich aktiv zu beteiligen, mit Ideen aber auch mit dem eigenen Verhalten und der Außenwirkung. Bis zum Jahre 2025 würde ich mir wünschen, dass sich jede*r Nürnberger*in – und sei es der Taxifahrer, die Bratwurstverkäuferin oder der Budenbesitzer – als Botschafter*in Nürnbergs versteht und so auch freundlich und offen allen Gästen und Touristen begegnet.“
Maria Rink, Verwaltung, N2025 Bewerbungsbüro
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„Ich fand die Idee sofort spannend, dass Nürnberg, die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin, sich auf den Weg zur Kulturhauptstadt Europas macht. Ich kam im Rahmen meines Masterstudiums ‘Kulturpädagogik und Kulturmanagement’ als Praktikantin ins Team und bin nun als Projektmitarbeiterin Teil des Bewerbungsbüros. Ich habe bereits in unterschiedlichen Kultureinrichtungen und für verschiedene Projekte in Städten wie Augsburg oder Mönchengladbach gearbeitet, in meinen Augen gibt es aber kein vielschichtigeres Projekt als dieses. Bei N2025 geht es um die ganze Stadt inklusive der Region, um Stadtentwicklung und um das Spinnen und Ermöglichen von Ideen unter dem Dach eines maximal breiten Kulturbegriffs. Ich finde es besonders schön, dass wir in unserer Arbeit auf verschiedenen Wegen mit vielen Menschen in Kontakt treten und mit Kulturhauptstadt-Befürworter*innen, Künstler*innen, Kulturschaffenden, Aktiven aus den unterschiedlichsten Bereichen, aber auch mit Kritiker*innen der Idee ins Gespräch kommen. Bei unseren Aktionen mit dem mobilen Büro oder dem Plauschbecken spürt man direkt sehr viele positive Vibes, aber auch sonst werden immer wieder tolle Ideen an uns herangetragen. Man spürt, dass in Nürnberg viel Potenzial schlummert und es ist unglaublich spannend, sich gemeinsam auf die Reise in die Zukunft unserer Stadt und unserer Region zu begeben. Das bedeutet für uns alle: ausprobieren, hinterfragen, neu denken, anders denken, experimentieren, spielen, diskutieren, sich austauschen, schaffen, gestalten — gemeinsam.“
Hannah Straub, Projektmanagement & Einbindung Metropolregion, N2025 Bewerbungsbüro
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“Als gebürtige Münchnerin mit ukrainischen Wurzeln Nürnberg auf die Kulturhauptstadt vorzubereiten ist schon irgendwie witzig. Ich bin im Verlauf meines Lebens oft aus Nürnberg weg, aber auch immer wieder zurück gezogen. Ich lebe sehr gerne hier. Nürnberg hat so viele Geheimnisse und verstecke Potentiale, die ich super spannend finde und die einfach nur die Chance brauchen, an die Oberfläche zu kommen. Genau das macht meinen Job so spannend. Ich kann vielen Menschen die Möglichkeit geben Kultur zu machen und zu schaffen und unsere Stadt nach und nach zu verändern. Manche Akteure möchten gerne sofort alles verändern, am besten schon gestern. Transformationsprozesse brauchen aber auch Zeit und Geduld, um nachhaltig wirken zu können. Als Kind habe ich in der Nordstadt gelebt. Ich bin nie in den Süden gekommen, es gab keinen Anlass. Heute lebe ich im Süden, lerne viele neue spannende Aspekte unserer Stadt und unserer diversen Gesellschaft kennen und stoße auf unheimlich viele Gegensätze. Schon von zu Hause kenne ich Transkulturalität, ich bin dreisprachig aufgewachsen, was natürlich auch meine Sichtweise auf verschiedene Lebensweisen und Stereotypen beeinflusst. Vor kurzem kam ein älterer Herr auf mich zu und sagte mir, ich sähe gar nicht ukrainisch aus. Daran sieht man in welchen Schubladen wir noch leben. Ich hoffe sehr, dass wir durch die Kulturhauptstadt solche Gedanken aufbrechen und die Stadtgemeinschaft in ihrer Diversität näher zusammenbringen können.”
Tanja Ehrlein, Outreach & Audience Development, N2025 Bewerbungsbüro
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„Ich bin in einem beschaulichen – sorry Petersaurach — „Kaff“ in der Metropolregion aufgewachsen und kam als Jugendlicher vor allem nach Nürnberg, um einzukaufen, ins Kino zu gehen oder auch mal ein Konzert im Hirsch zu besuchen. Heute, wo ich seit 2 Jahren hier lebe, sehe ich die Stadt natürlich mit ganz anderen Augen. An so einer Bewerbung selbst mitzuarbeiten, ist aber ein großes Abenteuer, das täglich Überraschungen birgt. Für mich ist Nürnberg eine großartige Stadt, so voller Widersprüche. Eine Stadt die wahnsinnig schön, an manchen Ecken aber auch bemerkenswert hässlich sein kann. Es gibt so viel Internationalität, Weltoffenheit und Verrücktes hier, dann gibt es aber auch Bereiche, die überraschend kleingeistig, verschlossen und altmodisch für eine Stadt dieser Größe sind. Wir Franken sind sehr stolz und doch auch irgendwie in Selbstzweifeln gefangen. All diese Widersprüche in der Summe machen den Charme aus, den es nur hier gibt. Nürnberg ist gerade auf dem Sprung, das spürt man. Es gibt so viele Initiativen, die die Stadt voranbringen wollen. Die Kulturhauptstadt-Bewerbung kann dafür ein zusätzlicher Katalysator sein. Und Nürnberg hat Europa viel zu erzählen. Ich bin oft in Budapest, meine Frau ist Ungarin und ich habe dort auch 2 Jahre lang gelebt. In Ungarn sieht man leider gerade, wie die Vergangenheit für nationalistische Rhetorik und für dubiose politische Zwecke instrumentalisiert wird. Die Rassegesetze von 1935, die Reichsparteitage ab 1927 und die Nürnberger Prozesse ab 1945, nicht vergessen dürfen wir auch die drei NSU-Morde: Nürnberg kann wie keine andere Stadt mit ganz Europa verhandeln, warum Nationalismus auch im 21. Jahrhundert keine gute Idee sein kann. Das Lernen aus der Geschichte ist heute so wichtig für Europa wie nie. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht bei „Vergangenheitsbewältigung“ stehen bleiben. Wir könnten doch auch mal in Zukunftsmodus schalten und neue Wege in die richtige Richtung gehen. Genau das bedeutet das Motto der Kulturhauptstadt-Bewerbung „Past Forward“ für mich.“
Nico Degenkolb, Europäische Dimension, Einbindung Metropolregion, N2025 Bewerbungsbüro
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“Im Bewerbungsbüro ist kein Tag wie der andere. Verwaltungstätigkeiten im Kulturbereich sind alles andere als eintönig und dröge, im Gegenteil, die Arbeit bei N2025 ist für mich sehr abwechslungsreich und spannend. Kultur interessierte mich schon immer sehr, die internationalen Gäste, die uns besuchen, die spannenden Künstlerinnen und Künstler, mit denen wir zu tun haben, die vielen kreativen Ideen, die uns erreichen … Einmal hatte ich völlig unverhofft Renate Schmidt persönlich am Telefon. Das war schon etwas Besonderes für mich. Ich bin froh Teil dieser Reise zur Kulturhauptstadt sein zu dürfen und bin auch ein bisschen stolz darauf, dass ich meinen Beitrag dazu leisten kann. Besonders seit ich Oma geworden bin, liegt mir das Thema Nachhaltigkeit sehr am Herzen. Ich würde mir für meine beiden Enkelkinder wünschen, dass Nürnberg grüner wird und mehr Spielplätze entstehen. Ich bin sehr viel mit dem Fahrrad unterwegs, habe erst jetzt im Sommerurlaub 900 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt. Das Fahrradnetz in Nürnberg muss viel besser ausgebaut werden, damit mehr Fahrräder und weniger Autos in der Stadt unterwegs sind. Dafür könnte die Radwegestruktur und –beschaffenheit in Holland als gutes Beispiel dienen. Zudem werden viele Plätze in Nürnberg kaum genutzt, oft sind sie bepflastert oder betoniert. Ich würde mir eine Begrünung und Belebung solcher Plätze wünschen. Ich bin mir sicher, dass wir den Titel “Kulturhauptstadt Europas 2025” bekommen und somit vieles in der Stadt positiv verändern können.”
Birgit Korder, Verwaltung, N2025 Bewerbungsbüro
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„Ich lebe seit meiner Geburt in Nürnberg und Umgebung, fühle mich hier daheim und emotional verbunden mit dieser Stadt. Für mich ist es gerade deshalb sehr spannend, den Weg zur Europäischen Kulturhauptstadt mitzugestalten. Die vielen Menschen die man trifft, die neuen Facetten, die man von der Stadt kennenlernt – all das macht unser Projekt so besonders für mich. In der Öffentlichkeitsarbeit wird man oft sehr direkt mit Meinungen, Kritik und Reaktionen der Menschen konfrontiert. Die einen können das Thema Kulturhauptstadt schon nicht mehr hören. Die anderen kritisieren, man bekäme zu wenig mit und wir hätten die Bevölkerung noch nicht erreicht. N2025 ist aber ein Marathon und kein 100 Meter Sprint. Es ist nicht leicht, die Menschen jetzt schon zu euphorisieren, für eine Idee, die noch so weit weg scheint. Ich habe aber das Gefühl, wir haben schon einen guten Teil der Nürnberger erreicht und hoffe natürlich, dass wir noch viele für die Kulturhauptstadt begeistern können. Eines meiner Highlights bisher war, die großartige Gruppe Rimini Protokoll in der Stadt zu erleben — durch ihr Performance-Theater bekam ich eine völlig neue Sicht auf Nürnberg. Auch unser neues Design und unseren Claim PASTFORWARD finde ich klasse und bin sehr überzeugt davon. Manchmal wird nicht nur in den Kommentarspalten Kultur gegen Soziales ausgespielt, was ich sehr schade finde. Natürlich müssen soziale Aspekte stimmen — gute Schulen, Kindergärten und Infrastruktur sind wichtig. Kunst & Kultur dürfen dabei aber nicht vergessen werden – eine Stadt braucht immer beides. Das wird gerade heute wichtiger, wenn man Antworten auf die großen Probleme unserer Zeit finden will. Ich wünsche mir, dass die Nürnberger enger zusammenrücken, etwas offener und lockerer werden im Umgang miteinander. Eines der großen Themen unserer Zeit ist das Thema Umwelt. Hier wünsche ich mir ein Umdenken, dass nicht nur kurzfristig ist – mal eben ein paar Bäume gepflanzt – sondern ein Umweltbewusstsein, das tief in den Köpfen verankert ist.“
Andreas Kist, Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, N2025 Bewerbungsbüro

„Bevor ich als Leiter des Bewerbungsbüros hierher kam, hatte ich kein Bild von Nürnberg. Zu Beginn konnte ich mich mit vielen Aspekten dieser Stadt nicht anfreunden. Köln, wo ich viele Jahre verbracht habe, ist allein schon architektonisch viel offener. Die Nürnberger Innenstadt ist durch die Burgmauer regelrecht abgeschirmt, und auch die Strukturen sind hier an manchen Stellen starr und überreguliert. Es gab aber einen Moment im Frühjahr, da habe ich Nürnberg plötzlich mit ganz anderen Augen gesehen. Es war einer der ersten lauen Abende des Jahres, die Menschen waren draußen unterwegs und saßen zusammen. Ich ging durch die Stadt und dachte: ‚Och, ist ja eigentlich schon schön hier‘. Die Nürnberger*innen haben von sich das Bild, dass sie zurückhaltend seien. Ich bin hier aber von Anfang an offen, hilfsbereiten und gesprächigen Menschen begegnet. Mit meinen Nachbarn halte ich immer ein Schwätzchen, wenn wir uns begegnen. Ob ich nun mit einem Bewohner auf dem Südstadtfest über unsere Pläne für die Kulturhauptstadt spreche, oder mit dem Oberbürgermeister über dem Bewerbungsbuch brüte, jeder Tag ist anders in meinem Job und genau das ist das Spannende für mich. Ich werde laufend mit für mich neuen Dingen konfrontiert. Ich habe zuvor in der Kulturförderung gearbeitet und Themen wie beispielsweise Barrierefreiheit oder Fragen der Stadtentwicklung sind neue Gebiete für mich, die für unsere Bewerbung aber essentiell sind. Es gibt auch viele unterschiedliche Erwartungen der Menschen an uns, die wir sicher nicht alle erfüllen können. Ob es die Frau ist, die sich wegen der Qualität der gelben Säcke an uns wendet, oder der Vater, der sich wünscht mit seinem Sohn auf dem Balkon in der Wölckernstraße in Ruhe sitzen zu können, ohne Autolärm und Abgase. In vielen Bereichen können wir Veränderungen nur anstoßen und die richtige Richtung weisen. Nürnberg ist in vielen Köpfen noch ‚Dürer und Führer‘. Mit der Kulturhauptstadt möchten wir diesem Klischee etwas entgegensetzen, denn Nürnberg ist viel mehr.“
Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner, Leiter N2025 Bewerbungsbüro
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„Ich finde gar nicht, dass die Franken so motzig oder muffelig sind, wie es ihnen oft nachgesagt wird. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es eben heraus. Wenn man nett zu den Leuten ist, sind sie auch nett zu einem, das ist überall so, auch in Nürnberg. Ich liebe die Stadt sehr und fühle mich super wohl hier! Nürnberg ist groß genug, aber nicht zu groß. Ich kann hier im Club bis zum Morgengrauen tanzen, aber auch in Ruhe die Aussicht von der Burg aus genießen. Ich bin mit 23 Jahren von Hersbruck hierhergezogen, habe hier die Modeschule als Modeschneiderin abgeschlossen und bin anschließend Friseurmeisterin geworden. Seit ich vor ein paar Jahren zum Spaß an einem Wrestling-Event (NBG Trash Wrestling) teilgenommen habe, hat sich eine große Leidenschaft entwickelt. Als ich meinen Eltern erzählt habe, dass ich gerne Wrestling betreiben möchte, haben sie mich für verrückt erklärt. Sie konnten nicht nachvollziehen, warum ich als Erwachsene anfangen möchte mich zu prügeln, nachdem ich doch als Kind behütet aufgewachsen bin. Die Wrestling-Schule in Heßdorf ist für mich meine heilige Halle. Hier sind alle gleich, ob ich Friseurin oder eine Frau in dieser Männerdomäne bin, interessiert niemanden. Man schaltet völlig das Hirn aus und ist ganz bei der Sache. Das habe ich so noch bei keinem Sport oder Hobby erlebt. Ich lebe hier mein inneres Kind aus, komme in Bewegung und ich mag es, richtig körperlich zu werden. Ich liebe meinen Beruf als Friseurin, aber den ganzen Tag um den Stuhl herumzulaufen ist mir nicht genug. Nach einem Wrestling-Training kommt man voller positiver Energie raus, fühlt sich einfach stark, als könne einem niemand etwas anhaben. Auch wenn alle sagen, ich hätte einen Schlag weg, ich möchte immer besser werden und eines Tages vielleicht sogar professionell wrestlen. Das wäre mein Traum.“
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„Seit acht Jahren bin ich mit meiner Frau verheiratet. Wir lebten in Odessa, ich war Fotografin und meine Frau betrieb ein eigenes Café. Wir hatten in der Ukraine im Alltag oft mit Anfeindungen zu kämpfen, unsere Freunde und Familien wandten sich von uns ab, als sie von unserer Beziehung erfuhren und als eines Tages unser Auto in Brand gesteckt wurde, fasst wir den Entschluss irgendwohin zu gehen, wo es sicherer für uns ist. In Berlin kamen wir zunächst bei einem Onkel meiner Frau unter, bevor wir als Asylbewerber in die Zentrale Aufnahmeeinrichtung nach Zirndorf geschickt wurden. Für uns war es der schlimmste Ort auf der Welt. Immer wieder kamen wir in verschiedene Einrichtungen, haben in Containern, in Kellern und in Zelten geschlafen. Wir gaben uns in dieser Zeit als Schwestern aus, da wir mit lauter Fremden, mit Muslimen und konservativen Menschen auf engstem Raum zusammenlebten und uns so sicherer fühlten. Trotz der Schwierigkeiten, haben wir nie an unserer Entscheidung gezweifelt. Unsere Hoffnung auf Freiheit und Selbstbestimmung hat uns immer vorangetrieben. Ich finde es noch immer traurig, dass Odessa, diese wunderschöne Stadt am Meer, in der sich Touristen tummeln, keine sichere Heimat mehr für meine Familie war. Unsere Tochter geht in Nürnberg in die zweite Klasse und fühlt sich sehr wohl. Sie hat viele Freunde und ist ein fröhliches Kind. Auch meine Frau und ich haben Bekanntschaften geschlossen, die uns schon jetzt sehr ans Herz gewachsen sind. In Nürnberg können wir frei leben, uns entfalten. Die Menschen sind offen, herzlich und hilfsbereit. Bald möchte ich als Fotografin selbstständig arbeiten und im schönen Nürnberg in Ruhe ein ganz normales Leben führen. Aber das Meer werde ich wohl immer vermissen.“
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„Es ist schon verrückt, wie sich die Wege von Menschen manchmal kreuzen. Ich bin vor fünf Jahren über das Erasmus-Programm der Europäischen Union für ein Auslandssemester nach Irland gegangen. Bis dahin habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und musste plötzlich zum ersten Mal so richtig auf eigenen Beinen stehen. Über eine Facebook-Gruppe habe ich nach einem WG-Zimmer gesucht und so auch meine Freundin Hannah kennengelernt. Hannah war zuvor während ihres Deutschstudiums wiederrum lange Zeit in Bamberg, wo ich VWL studiere. Damals sind wir uns aber nie bewusst über den Weg gelaufen. Ziemlich witzig, wenn man bedenkt, dass wir jetzt seit über drei Jahren zusammen sind. Eine Fernbeziehung über eine solche Distanz ist zum einen schwierig, weil man sich im Alltag nicht sieht und vermisst, auf der anderen Seite, ist die Zeit die man gemeinsam verbringt umso kostbarer. Da wir uns innerhalb Europas bewegen, sind die Flüge glücklicherweise nicht allzu teuer und wir schaffen es meist, uns alle drei/vier Wochen zu sehen. Oft fahren wir auch gemeinsam in den Urlaub in ganz andere Länder, machen gerne Trips mit dem Auto und grölen zu Rocksongs oder trällern Disney-Lieder auf der Fahrt. Natürlich möchte ich nach meinem Studium meinen Weg gehen und frei Berufsentscheidungen treffen, ein großes Ziel ist aber, eines Tages im gleichen Land zu landen, egal ob Irland, Deutschland oder ein ganz anderes.“
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“Meine Freunde und ich blickten in unserer Jugend immer sehnsüchtig nach Deutschland. Wir träumten von der Freiheit und den Entfaltungsmöglichkeiten, die wir im kommunistischen Rumänien zu Zeiten Ceausescus nicht hatten. Ich war Englisch- und Deutschlehrerin und stellvertretende Direktorin einer Schule in Sibiu. Seit dem 12. Jahrhundert ließen sich in Sibiu (dt. Hermannstadt) deutsche Siedler nieder, was bis heute die Kultur und die Sprache prägt. Als ich nach dem Sturz des rumänischen Diktators 1989 mit meinen beiden Töchtern nach Nürnberg zog, suchte ich als Alleinerziehende einen Job, der uns finanzielle Sicherheit bot. Ich schrieb dutzende Bewerbungen, als Übersetzerin, Assistentin, Mitarbeiterin in der Verwaltung. Bei meinem ersten Bewerbungsgespräch wurde ich zum Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in Nürnberg eingeladen, um mich als Sekretärin vorzustellen. Das Gespräch über die Firma, die Tätigkeiten und Erwartungen an mich lief gut, als der Mann im Anzug einen genauen Blick in meine Unterlagen warf und erstaunt fragte: „Sie haben an einer Universität studiert? Aber sie kommen doch aus Rumänien, oder nicht?“ Als ich ihn fragte, warum er mich zum Gespräch eingeladen hatte, wenn er meine Qualifikation anzweifle, antwortete er, dass er interessiert war, wie „so eine Person“ tatsächlich sei. Er kenne Rumäninnen nur als Haushaltshelferinnen oder Pflegerinnen und wollte sehen, was hinter der Bewerbung stecke. Er zeigte sich überrascht, dass man sich auf intellektuellem Niveau unterhalten könne. Die Stelle wurde mir nie angeboten, in der Absage stand, ich sei überqualifiziert für Art der Tätigkeit.”
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“Gostenhof war nicht immer das angesagte Viertel, das es heute ist. Als ich mit fünf Jahren mit meiner Familie nach Gostenhof kam, lebten hier viele Leute, die wenig Geld hatten, Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn man hier aufgewachsen ist, wurde man täglich mit sozialen Problemen konfrontiert, Mädchen wurden früh schwanger und hin und wieder landete jemand, den man kannte, im Gefängnis. Um so wenig Zeit wie möglich zu Hause bei meiner gewalttätigen Mutter zu verbringen, spielte ich schon als Kind den ganzen Tag mit meinen Freunden draußen auf den Straßen. Auch als Jugendliche zogen wir durch die Gegend und hingen im Jamnitzer Park rum, neben uns konsumierten Alkoholiker und Drogenabhängige. Einmal haben wir einen Mann leblos im Gebüsch liegen sehen – ich glaube er war tot. Das Leben war holprig vorgezeichnet und ich dachte ich würde es nie aus diesem Hexenkessel schaffen. Ich konnte mir viele Dinge nicht leisten, wie einen Besuch in einem Café zum Beispiel. Mit 13 Jahren bin ich von zu Hause ausgerissen, kam in ein Heim und später in eine betreute Wohngemeinschaft. Hier gab es Menschen, die sich um mich gekümmert haben. In diesem ruhigeren Umfeld konnte ich mich auf die Schule und meinen Berufswunsch konzentrieren. Viele, die heute meine Geschichte hören, sehen das Happy End und romantisieren meine Erfahrungen. Ich habe mir meinen steinigen Weg aber nicht ausgesucht. Ich musste mich durchbeißen und schon als Kind auf eigenen Beinen stehen. Das mag vielleicht den Charakter stärken, aber um welchen Preis? Heute gehe ich oft die Fürther Straße entlang, als Juristin habe ich regelmäßig im Justizpalast zu tun. Wenn ich all die ausgelassenen Mütter in Gostenhof mittags im Café in der Sonne sitzen sehe, freue ich mich einerseits, dass mehr Menschen sich das nun erlauben können ohne den Cent zweimal umzudrehen. Andererseits bedauere ich es auch, dass die Zeit vergessen lässt, wie hart es war hier aufzuwachsen.“
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“So langsam kommen die Leute dahinter, dass nicht jeder Tätowierte zwangsläufig Knasti oder Seefahrer ist. Ich bin tätowiert, gepierct, ‚singe‘ in einer Metal-Band und dann betreibe ich auch noch Kampfsport. Dass ich aber den Großteil meiner Zeit damit verbringe, daheim meine Katzen zu knuddeln, anstatt Tankstellen zu überfallen, überrascht viele. Vorurteile sind etwas ziemlich Dummes. Das stelle ich auch immer wieder fest, wenn ich mit Leuten über meine Arbeit spreche. Ich bin seit vielen Jahren in der Games-Branche tätig, war Chefredakteur eines B2B-Magazins und arbeite nun als Programmchef für eine der größten Entwicklerkonferenzen Europas. Gaming ist meine Passion, seit frühester Kindheit an. Obwohl es sich dabei um eine Milliarden-Industrie handelt, sind Spiele für einige nicht mehr als gewaltverherrlichendes „Geballer“ oder lustiges „Gehüpfe“. Games fördern strategisches Denken, sind sozialkritisch, immersiv, kunstvoll und wecken eine breite Palette an Emotionen. Ein fesselndes Game bringt mich öfter zum Lachen, Weinen oder Zittern, als so mancher Kinostreifen. Wenn ich spiele, lasse ich mich nicht nur berieseln. Ich tauche proaktiv in virtuelle Welten ein, erforsche fremde Landschaften und mysteriöse Orte, löse Rätsel und muss mich nicht selten auch moralischen Dilemmas stellen: Wie würde man in einem Kriegsszenario überleben, wem die letzte Essensration zuteilen? Filme nehmen uns diese Entscheidungen ab. Müssen wir sie selbst treffen, fühlt sich das mitunter richtig mies an, selbst wenn es ‚nur‘ ein fiktiver Umstand ist. Egal, ob Spiel, Film oder Buch: Nicht jedes Werk ist für jeden Rezipienten geeignet. Ein Thema, dass sich gerade Eltern öfter zu Herzen nehmen sollten, anstatt die Verantwortung auf den Gesetzgeber abzuschieben. Eine Form der Ignoranz, die mich mitunter wütend macht. Und wer weiß, vielleicht würden sie auch ein Spiel finden, das ihnen Spaß macht.“
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“Schon als kleines Mädchen spielte ich lieber mit Jungs, ich lehnte es ab, Kleidchen zu tragen und hatte mit Puppen nichts am Hut. Ich war neidisch auf Jungs und fragte meine Eltern oft, warum ich keiner sein konnte. Meine Mutter war bestürzt über diese Fragen. Es fühlte sich immer komisch an, „Cassandra“ genannt zu werden und ich hatte oft das Bedürfnis mich zu verstecken. Nach dem Gymnasium bin ich zur Bundeswehr gegangen. Ich hatte den Traum Pilotin zu werden. Nach sechs Jahren Dienstzeit als Offizier und vier Auslandseinsätzen, wurde ich vorzeitig aufgrund von Krankheit aus dem aktiven Dienst entlassen. Eine Welt brach für mich zusammen. Glücklicherweise habe ich es aber auch als Chance erkannt, mich nun optisch zu verändern. Mit 27 begann ich mein Geschlecht anzupassen, nahm Hormone ein und fühlte mich von Operation zu Operation stetig wohler in meinem nun männlichen Körper. Teile meiner Familie musste ich auf diesem Weg zurücklassen. Meine Mutter kam nie mit meiner neuen Identität zurecht und wir haben so gut wie keinen Kontakt mehr. Ich bin von Anfang an sehr offen mit meiner Geschichte umgegangen, habe mich nie versteckt. Mit meinem Instagram Profil, auf dem ich viel über mich preisgebe und Fotos meiner Entwicklung poste, will ich Mut machen und aufklären. Ich beantworte aber auch ganz praktische Fragen zur Funktionsweise meiner Erektionsprothese oder zum bürokratischen Aufwand einer Geschlechtsanpassung. Meine Transformation ist sicherlich eine besondere Geschichte, ich definiere mich aber nicht alleine darüber. Leben retten, das ist es, was mich heute ausmacht und erfüllt. Zwar wurde ich nie Pilot, als Notfallsanitäter im Rettungsdienst und Pfleger auf der Intensivstation habe ich aber meine Bestimmung gefunden und es interessiert weder die Kollegen noch die Patienten, wie ich früher ausgesehen habe.”
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“1945 musste ich überstürzt aus meiner Heimat Tschechien fliehen, da ich mit einem deutschen Soldaten verheiratet war. Mit Hilfe meines Vaters schlich ich mich mitten in der Nacht über die Grenze nach Deutschland. Ich kam nach Michelau in Oberfranken und gründete hier mit meinem Mann eine Schreinerei. Der Anfang war für uns sehr schwer, wir mussten Tag und Nacht arbeiten, um das Geschäft am Laufen zu halten. Gerade als der Betrieb erfolgreich war, starb mein Mann Karl 1968. Ich lebte noch viele Jahre in unserem Haus in Michelau, bis ich 2005 nach Nürnberg in den Wohnstift am Tiergarten kam. Beim Auszug aus meinem Haus stand ich weinend im Hof, als ich zusah, wie das große Auto mein überschüssiges Mobiliar zerkleinerte, meine Habseligkeiten verladen wurden und sich das Haus leerte. Meine geliebten Fotos habe ich aber in mein neues Zuhause mitgenommen. Jetzt bin ich froh, dass es so kam, denn hier zu leben ist sorgenfreier und ich kann mir vieles leisten, was ich mir als junge Frau nicht hätte ermöglichen können. Kultur spielte früher für mich kaum eine Rolle. Wir hatten so viel mit dem Geschäft zu tun und konnten nicht nach Coburg ins nächste Theater fahren. In den letzten Jahren entdeckte ich aber das große kulturelle Angebot in Nürnberg. Gemeinsam mit einem Freund hier aus dem Wohnstift besuchte ich das Theater und die Oper, war bei einer Oldtimer-Fahrt dabei und sogar in einer Burlesque Show. Im November werde ich 99 Jahre alt. Ich denke aber nicht über mein Alter nach. Es gibt hier viele, die jammern jeden Tag über ihre Leiden. Auch mir tun die Hände weh, auch ich sehe schlecht, aber ich denke gar nicht darüber nach – das ist halt so. Ich will noch immer überall dabei sein, würde niemals ein Konzert meiner Enkelin verpassen und ich freue mich schon, dieses Jahr auf der Hochzeit meiner zweiten Enkeltochter zu tanzen. Meine Familie um mich zu haben, für sie da zu sein, das hält mich jung und gibt mir Kraft.“
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„Seit ich vor ein paar Jahren in den Norden Nürnbergs gezogen bin, fasziniert mich der St. Johannisfriedhof, nicht nur als Ort der Trauer, sondern auch als Ort der Ästhetik und Kultur. Die Frage, wie wir mit dem Tod und unseren Ahnen umgehen, ist für mich ein sehr wichtiger Aspekt unserer Kultur und Identität. Dass ich mich mit meinem 35 Jahren schon so intensiv mit dem Tod auseinandersetze, ist sicher ungewöhnlich. Mit der Nürnberger Epitaphien-Stiftung setze ich mich für den Erhalt und die Pflege dieses einzigartigen Ortes ein, an dem Menschen wie Dürer, Feuerbach und Pirckheimer begraben wurden. Als Historiker frage ich mich natürlich besonders: Was haben diese bedeutenden Persönlichkeiten dazu beigetragen, das Nürnberg heute ist, was es ist? Was kann uns dieser Ort auch heute noch sagen? Neben Tod und Trauer sehe hier auch so viel Freude und Positives. In der Kirche finden Taufen und Hochzeitet statt und auch ich habe hier meinen Mann geheiratet. Mit den liegenden Grabsteinen, den kunstvollen Epitaphien, den sorgsam gepflegten Blumenschalen und blühenden Rosen ist der St. Johannisfriedhof auch einfach ein schöner Ort. In Nürnberg ist man typischerweise sehr bescheiden, macht keinen großen Wind um die Besonderheiten dieser Stadt. Andere würden hier richtig angeben mit so einem außergewöhnlichen Ort. Ich denke, die Kulturhauptstadt ist eine tolle Gelegenheit, allen Nürnberg*innen aber auch Besucher*innen zu zeigen, was es hier schon Tolles gibt und was uns einzigartig macht. Aus unserer Vergangenheit heraus können wir auch etwas Neues gestalten, das wir noch nie gewagt haben. In meinem Alter ist es schick, nach Modernität zu streben. Oft sind aber Dinge, die einem zunächst überholt und gestrig vorkommen, gar nicht so altbacken und haben eine große Bedeutung für die Gegenwart und die Zukunft.“
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